Druck und Farbe Workshopgeschichten

Druckleidenschaft mit Stein

Ein harmloses Telefonklingeln.
Eine einfache Frage.
Ein altes Licht wird angeknipst.
Steine, Farbtöpfe, Walzen –
die «Johannisberg 1911» kommt!

In Gedanken gehe ich in den damaligen Keller unseres Einfamilienhauses. Ich stehe vor dem Werktisch von meinem Vater, die Wand dahinter ist sorgfältig mit Feilen, Sägen, Zangen und Schraubenzieher bestückt. Die exakten Bleistiftstriche für die richtige Position der Aufhängevorrichtungen, sind immer noch sichtbar. Auf dem Tisch ist eine kleine Metallkiste, darin liegt ein besonders spezieller Hammer, eine Lederschere und Nägel mit quadratischen Schäften. Sie gehörten meinem Grossonkel Max, Schuhmacher in Gersau. Den geliebten Schuhen konnte er immer wieder eine neue Sohle geben, den Rand frisch nähen oder die Fussform anpassen. Sein Kunsthandwerk wurde geschätzt und Material verwendete er nur was es brauchte. Seinen Hammer und die Schere habe ich behalten, als Erinnerung an die gute alte Zeit.

Es gibt Kunsthandwerke wo die Möglichkeiten laufend neu interpretiert werden. Bei uns im traditionellen Druckgewerbe bietet der Steindruck (Lithografie) den Künstler:innen oder Schuhmacher:innen und Treuhänder:innen heute noch das freie Zeichnen auf dem Stein, was für alle Kunstrichtungen besonders im 19. und 20. Jahrhundert sehr beliebt war. Heute sind die Techniken, wie man seine Zeichnung auf den Stein bringt sehr individuell.

Die Voraussetzung für den Druck jedoch ist eine gepflegte Druckmaschine und eine erfahrene Person, die den Druckstein, das Prinzip der Maschine und das Medium Papier kennt. Bei Weiss- und Schwarzkunst ist seit zwei Jahren das Lithografieatelier der Hochschule Luzern Kunst & Design integriert, ergänzt mit den beiden Lithopressen von Künstler Peter Stähli, Gsteigwiler. Er druckte in seinem Leben hunderte mehrfarbige, eindrückliche Lithografien. Bilder, die er selber malte und auch Tourismusplakate für Kunden: Klassische Schweizer Werbegrafik, klare Konturen, prägnante Farben; Künstlergrafik. Die Steine sind für den Schweizer Künstler zu schwer geworden. Peter und seine Frau Esther freuen sich, dass die Maschinen nun von jungen Leuten künstlerisch eingesetzt werden.

Das Telefon klingelte: Habt ihr Platz für die Johannisberg?
Reto Schorta telefonierte Anfang März 2021 mit Roger Tschopp von Weiss- und Schwarzkunst. Schorta sagte: Sie heisst «Johannisberg 1911» und es gibt nur noch drei Stück in der Schweiz. Sie druckt, entgegen der Aufschrift «Schnellpresse», alles andere als schnell, dafür Plakate im Weltformat. Auf dieser Steindruckpresse, wurden einst Originaldrucke u.a. für Alberto Giacometti, Varlan, Oskar Kokoschka, Marino Marini, Sam Francis, Alois Carigiet, Otto Bachmann, Hans Erni und Karl Landolt sowie von über 60 weiteren Künstlern aus dem In- und Ausland gedruckt.

Schorta erzählte weiter, dass er bereits ein Team mit Erfahrung habe: Christoff Heller*, Willy Etter (Maschinenmonteur), Paul Burkart, Künstler Gian Häne und Andreas Baur sowie Thomi Wolfensberger** als Marktbegleiter. Sie suchen Platz für die Johannisberg und Unterstützung betreffend Raum und Organisation.

Das Lichtanknipsen-Projekt
Also, wir knipsen definitiv alle miteinander ihr altes Licht wieder an. Wollt ihr mitarbeiten oder uns aus der Ferne unterstützen? Denn dieses Projekt braucht breite Unterstützung! Am letzten Dienstag schrieb Reto Schorta, Projektleiter in unseren Chat: Hallo liebe Freunde! Jetzt ist das Profil für das Spendensammeln von unserem Kultur- und Herzprojekt «Johannisberg 1911» online und darf gestreut werden: www.lokalhelden.ch/druckatelier

Die Maschine ist keine Unbekannte, sie zieht die Drucker aus allen Teilen der Schweiz an. Aus unserem Verein sind die Künstlerin Myrtha Steiner (Boxfish), die Buch- und Offsetdrucker Erich Egli und Linus Weibel dabei. Künstler und Drucker Ernst Hanke, er besass selber eine Johannisberg, sie heisst Johanna und steht seit drei Jahren in Schweden.

Für uns als Verein ist diese sieben tonnenschwere Steindruckmaschine mit dem aussergewöhnlich grossen Druckformat (70 x 100 cm und ein Stein wiegt über 100 kg) eine tolle Perspektive um die Kultur der Handdrucktechniken in eine interessante Richtung zu bewegen.

*Christoff Heller, gelernter Drucker, ehem. Inhaber der Druckerei Heller, Cham (Familienbetrieb von 1897–2005) und Vorbesitzer der Maschine. Im Rahmen eines Kunst-Cafés druckte er mit verschiedenen Künstlern.
** Thomi Wolfensberger, vierte Generation der Firma Wolfensberger, Birmensdorf. Freut sich, dass die Maschine nicht verschrottet wird. 2019 erhielt Wolfensberger vom Bundesamt für Kultur den Schweizer Grand Prix Design und mit diesem die Bezeichnung «Meister auf dem Gebiet des Steindrucks».

Yvonne Camenzind, 13.7.21