Workshopgeschichten

Erzähl uns Deine Gautschgeschichte

Wir hören soviele Geschichten in der Werkstatt, dass wir hier gerne auch Deine Gautschgeschichte aufschreiben. Neben dem Jahr, der Ausbildung und dem Ort möchten wir auch gerne wissen wie Deine Wanne oder Dein Brunnen ausgesehen hat. Wir freuen uns über Deine Geschichte.

Was ist gautschen? Wenn der / die Lernende eines grafischen Berufes wie Schriftsetzer-Typograf-Polygraf oder Buch-, Offset- oder Digitaldrucker die Lehrabschlussprüfung hinter sich hat, wird er / sie traditionell in die hocherwürdige Runde der Berufsleute aufgenommen. Roger sagt jeweils, es werden alle Sünden der Lehrjahre abgewaschen.

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Eugen Peter
Lehrbetrieb: R+L Müller AG in Lenzburg
gegautscht am 3. April 1974

Nun, an diesem «denkwürdigen» 3. April 1974 dachte ich keinen Moment an die Gautschete.
Hatte ich so meine liebe Mühe mit dem sich nach dem Druck rollenden Papier. Es «heuete» dauernd in der Ablage der KOR.

Als dann mein ehemaliger Oberstift zu mir trat, ahnte ich nichts böses, bot er mir doch am Anfang seine Hilfe an. Dass sich im Hintergrund schon etliche Mitarbeiter versammelt hatten, entging mir komplett. Als sie sich mit lautem Geschrei auf mich stürzten, war ich total perplex. Ich konnte mich nicht mehr wehren. War auch nicht mehr möglich, nachdem vier Packer sich meiner Gliedmassen behändigten.
So wurde ich mit Lederriemen auf eine Leiter gefesselt und mit «Tamtam» in die Altstadt von Lenzburg getragen. Beim Brunnen vor dem Stadttor wartete bereits der Gautschmeister. 
Nach dem Vorlesen des Rituals wurde ich in diesem Brunnen «getauft» (gegautscht) und durfte mich hochoffiziel zu den «Jüngern Gutenbergs» zählen.
Eugen Peter

Die Schule besuchte ich in Aarau (GFA). Fachlehrer war Armin Leutert. Dem Druck bin ich bis zur Pensionierung treu geblieben.

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Anton Schudel
Lehrbetrieb: Friedrich Reinhardt, Basel
gegautscht am 5. Juli 1952

Die Einladung zur Gautschfeier dichtete der Gäutschling gleich selber:

D’Zyt isch jetz do,
Daß mir derno
My Gautschete dien feschte;
Drum lad di y,
’s darf luschtig sy,
zu Spys und Drangg vom Beschte.

So will’s dr Bruuch;
Doch nimm’s nit z’ruuch,
Sunsch drampsch zum Schluß drnäbe!
Kumm mit in d’Baiz,
Die Sach griegt Raiz,
und Witz und Gaischt soll läbe!

So will’s dr Bruuch;
Doch nimm’s nit z’ruuch,
Sunsch drampsch zum Schluß drnäbe!
Kumm mit in d’Baiz,
Die Sach griegt Raiz,
und Witz und Gaischt soll läbe!

Mr träffe-n-is am Frytig, am zwelfte
Dezämber, zobe-n-am halber sibeni,
uffem Erasmusplatz und göhn denn
in d’Knelle zum «Rhygarte».

Dr Gäutschling

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Roger Tschopp
Lehrbetrieb: Beag Druck AG, Emmenbrücke
gegautscht am 8. Juni 1984

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Erich Egli
Lehrbetrieb: Dietschi & Cie. AG, Olten
gegautscht 1959

Das Interview mit Erich verlief sehr kurz. Er ist ein freundlicher, offener, gegautschter, erfahrener und fröhlicher Buch- und Offsetdrucker, erinnert sich an seine Gautscheten nicht mehr. Das sei schon sooo lange her, dass man nichts mehr wisse. Erich hat mir Bilder von seiner Gautschete in Olten.

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Gautschen in Reiden

So wird auch heute noch zitiert! Ausschnitt aus einem Gautschbrief.

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Yvonne Camenzind
Lehrbetrieb: Kündig Druck AG, Zug
gegautscht am 28. Juni 1990

An meinen «Packt-an!»-Moment erinnere ich mich gut. Ich war in der Plattenmontage» bei Albert Ege. Beide Türen gingen auf und ich realisierte, dass meine Leute aus dem Satz von oben hinunter kamen und die Drucker- und Ausrüsterleute von unten kamen um mich zu holen. Mir standen alle Haare zu Berge. Ich stand wie angewurzelt da. Mir war kalt und heiss im gleichen Augenblick. Tunnelblick. Sicher dachte ich an Flucht, da ich aber ein kleiner Feigling bin, dachte ich mir, dass es viel schneller vorbeiginge, wenn ich mich gleich ergebe.

Es werden alle Sünden der Lehrjahre abgewaschen.

Quelle: Roger Tschopp

Wir hören soviele Geschichten in der Werkstatt, dass wir gerne auch Deine Gautschgeschichte wissen möchten. Neben dem Jahr, der Ausbildung und dem Ort möchten wir auch gerne wissen wie Deine Wanne oder Dein Brunnen ausgesehen hat. Wir freuen uns über Deine Geschichte.

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